Challenge Walchsee 05.09.2010

„Das Wetter war eigentlich in Ordnung. Am Donnerstag zum Beispiel hat es den ganzen Tag nicht geregnet.“ Ungefähr so habe ich die Vorbereitungswoche der ersten Challenge Walchsee erlebt. Ich wollte mit diesem Wettkampf meine Triathlonsaison 2010 gemütlich ausklingen lassen und hatte zwei Kollegen überredet, mit mir als Staffel zu starten. Das Ganze wollte ich mit einem Familienurlaub verbinden und war schon am Montag mit Frau und zwei Kindern auf dem Campingplatz angereist. Nach einer Nacht im Zelt unter Starkregen bei 7°C fuhr ich die Familie gleich wieder nach hause und kam anderntags allein zurück. Selbst ohne Regen wären die Nachttemperaturen nicht viel besser geworden, und unser Sohn war ohnehin schon leicht verkühlt. Den Rest der Woche campierte ich allein in unserem 8-Mann-Zelt von Aldi, wohl zum Erstaunen manches Zeltnachbarn.

Als ich am Mittwoch zum Campingplatz zurückkam, hörte der Regen gerade auf und ich lief am Nachmittag noch ein paar Runden um den See. Dabei konnte ich im 30-Minuten Rhythmus den Fortschritt beim Aufbau der Wechselzone beobachten. Da war nicht nur eine große Mannschaft tagelang beschäftigt, auch der Orga-Chef war ständig vor Ort, um tausend Details zu regeln. Geduldig hörte er sich auch Kommentare, Vorschläge und Fragen von Teilnehmern an und blieb immer freundlich und hilfsbereit – ein guter Eindruck schon vier Tage vor dem Wettkampf!

Donnerstag früh stieg ich zum ersten Mal in den See. In unserer Staffel war ich der Schwimmer und wollte die Woche auch nutzen, um das Freiwasserschwimmen mit Neoprenanzug zu üben. Schwimmäßig war 2010 nicht mein Jahr gewesen. Im Kraichgau hatte ich kurz nach dem Start in Panik aufgegeben, in Frankfurt war ich dann auf Sicherheit geschwommen und in Regensburg fiel das Schwimmen komplett ins (Hoch-)Wasser (bei der OD, nicht beim Ironman). Die Walchsee-Challenge war meine letzte Chance in diesem Jahr, eine ordentliche Schwimmleistung abzuliefern, wenigstens bezogen auf meine Verhältnisse. Von den versprochenen 20 Grad war das Wasser leider um einiges entfernt, in der falschen Richtung, knapp unter 16 wurden in der Woche gemessen. Am Anfang jeder Schwimmeinheit musste man drei kritische Phasen überstehen: den Einstieg ins Wasser, das erste Untertauchen des Kopfes und das Fluten des Anzugs zur Anpassung. Wenn man da mal durch war, ging der Rest erstaunlich gut, selbst für einen bekennenden Warmduscher wie mich. Ich bin dann 1-2 mal am Tag in den See gegangen und hab mir auch den Ausstieg angesehen, der nur 100 Meter vom Campingplatz weg war. Meine letztlich erfolgreiche Technik war, bis zum Ende voll durchzuschwimmen und auf allen Vieren auf der Rampe zu landen, aufzustehen und loszudüsen. Nach dem Schwimmen hab ich den Anzug beim Zelt gelassen und bin als alter Poser in Badehose zur Dusche. Diese Eitelkeit hatte fatale Folgen: am Freitag lief ich einer Gruppe Hardcore-Camper in die Hände. Die hatten auf dem Platz ihre eigene Wagenburg mit Fest-Pavillon in der Mitte und waren vom späten Vormittag bis zum Abend immer nett am Feiern. Die haben mich vereinnahmt, ausgefragt und mit Schnaps versorgt. Fortan bekam ich nach jeder Schwimmeinheit mein Stamperl oder zwei vor der Dusche – die Zigarette habe ich höflich abgelehnt.

Exkurs: Neben dem gemeinen freundlichen Camper konnte man auf dem Platz noch eine weitere Spezies studieren: die andere Sorte Motorradfahrer. Die eine Sorte geht nicht campen. Die eine Sorte ist auch als Sitzgruppe bekannt, weil sie meist in kleinen Gruppen auftritt und auf bequem gepolsterten, großvolumigen Motorrädern sitzt. Man erkennt sie von weitem an den rotgeäderten Bäckchen, die zwischen den Helmpolstern hervorquellen und eine farblich passende Nase einrahmen, die durch einen graumelierten Schnauzbart auf Abstand zum Visier gehalten wird. Über diese Gruppe weiß ich nur, dass sie im Alpenraum häufig auftritt; auf dem Campingplatz (Zeltwiese) trifft man nur die andere Sorte. Die ist auf einer Enduro der Marke BMW unterwegs und transportiert in zwei Aluboxen eine ebenso umfangreiche wie frugale Zeltausrüstung, bestehend aus Falthundehütte, Matratze, Klapphocker und vielem mehr. Weil diese Kradfahrer meist lang und dürr sind, haben sie mit der Sitzhöhe der GS kein Problem und passen auch in ein schmales Zelt (wenn es nur länglich genug ist). Man kann sich das Vertrauen dieser eher scheuen Leute erschleichen, indem man durchblicken lässt, man sei selbst früher auch mal Moped gefahren, wobei man das Wort „Moped“ mit der richtigen Nachlässigkeit aussprechen muss. Danach erzählen sie einem, wie viel tausend km sie in den letzten zwei Wochen durch Osteuropa/Balkan gefahren sind. Das Eingangszitat zum Wetter stammt übrigens von einem Vertreter dieser Gattung.

Exkurs 2: Leicht beunruhigend wird die andere Sorte Zweiradler, wenn sie ihren Krimskrams nicht in Aluboxen an der Enduro, sondern in Ortlieb-Taschen am Mountainbike spazieren fährt und die zurückgelegten Kilometer nicht viel weniger sind als bei den motorisierten Kollegen…

Mit einer kleinen Bergwanderung, einer Runde mit dem Leihrad auf der wunderschönen Radstrecke und einigen Schnäpsen bei den Campern verging der Rest der Woche wie im Flug. Am Freitag ging ich die Startnummern holen und ein bisschen auf der Expo shoppen – mal sehen, wie ich die neuen Laufschuhe an der Gattin vorbeischmuggle.

Das offizielle Schwimmtraining am Samstagmorgen hab ich mir geschenkt, aber rund 30 Leute sind bei strömendem Regen in den See gestiegen. Der strömende Regen hat zugleich die zentrale Wettkampfwiese mit Wechselzone, Zieleinlauf und Expo in einen ziemlich schlammigen Zustand versetzt. Als die Staffelkollegen am Nachmittag eintrafen, war der Rad-check-in entsprechend ungemütlich. Die Pasta-Party am Abend entschädigte dann für manches. Ich war baff, wie man so viele Leute derart schnell mit so viel Essen versorgen kann, das auch noch gut schmeckt! Selbst die Italienerin Niederfriniger lobte die Nudeln, und das, obwohl der Moderator bei ihrem Namen konsequent ein i unterschlug.

Den Wecker für Sonntag hatte ich auf 5:45 gestellt, war aber schon früher wach. Auch aus den Zelten rundherum hörte man Wecker-Gepiepse und Verschluss-Reißen. Spätestens um 6 waren alle wach, als der DJ in der Wechselzone den Schieber hochschob, um das Bundesland zu beschallen. Ein Espresso im Morgendunst am See, dazu zwei Croissants mit Honig, dann wurde ich auch schon unruhig. Ich packte meine Schwimmklamotten in den roten Sack und kontrollierte, ob auch der Chip mit drin war. Diese Kontrolle wiederholte ich zur Vorsicht noch fünf mal… Auf dem Weg zum Start kam ich an der Wechselzone vorbei und packte vorsichtshalber Markus’ Rad aus. Die Kollegen hatten im Hotel übernachtet und ich hatte ihr Auto nicht auf dem Parkplatz entdeckt, wusste daher nicht, ob sie es vor Schließung der Wechselzone noch schaffen würden. Am Startgelände schaute ich mich noch eine Weile um und versuchte, Zeit zu schinden. Dummerweise war aber die Abfahrt des Klamottentransports auf 7:15 terminiert, 45 Minuten vor meiner Startzeit. Ich musste also recht bald aus meinem schönen warmen Pullover raus und in die Badehose rein, bei rund 10 Grad Lufttemperatur. Besonders fies war die Kälte an den Füßen auf dem nassen Asphalt des Parkplatzes. Streng nach Murphy (man ist ja gesetzestreu) meldete sich mein Darm ungefähr 7 Sekunden, nachdem ich den Neo geschlossen hatte. Also in die Dixieschlange und wieder raus aus der Wurstpelle. Nachdem auch dieses Ritual absolviert war, ging ich über die Straße zum See, wo ich Pascal begegnete, den ich von zu hause aus Ludwigsburg kannte. Während die ersten Startgruppen schon über den See kraulten, unterhielten wir uns über die abgelaufene Saison, ich berichtete von meinen drei Wettkämpfen, er von seinen dreiunddreißig. Dann war es auch für uns Zeit, ins Wasser zu gehen. Eine kleine Runde zum Einschwimmen, den Anzug zurecht zupfen und dann über die Matte zur Startlinie. Eine Gruppe Mädels veranstaltete ein lautstarkes Schnatterkonzert. Ich hielt mich hinten links auf und wartete ab. Hab ich schon erwähnt, wie angenehm so ein Wellenstart ist im Vergleich zur Massenkeilerei im Langener Waldsee? Ja, ich habe hiermit. Der Startschuss kam aus einer alten Kanone, war aber trotzdem leiser als die Böller im Kraichgau. Ich schwamm los und suchte mir erst mal freies Feld auf der linken Seite. Die ersten 100 Meter waren mehr Geplatsche als Schwimmerei, aber langsam fand ich meinen Rhythmus und das, was bei mir als Stil durchgeht. Nur einen Wasserschatten fand ich zunächst mal nicht. Ich hab extra noch mal gepeilt, aber entweder ist der Knick in meiner Optik schärfer, als ich wahrhaben will, oder das gesamte Feld schwamm eine ziemliche Bogenlinie. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass ich der Einzige war, der geradeaus zur Wendeboje schwamm. Jedenfalls schwenkten später die anderen auf meine Linie ein, während ich selber die Richtung nicht änderte. Immerhin blieb meine Brille an diesem Tag glasklar. Ich hatte die Woche über die Gläser nach jedem Schwimmen mit einem Tropfen Duschgel eingerieben, das schien zu wirken. Gegen Ende der ersten Bahn fand ich auch ein paar Füße, neben denen ich mich ein bisschen ausruhen konnte.

Unterwegs hatte ich manchmal den Eindruck, der Anzug beenge die Atmung. Eigentlich ist mein neuer Neo eher weit geschnitten, ich führe das Gefühl auf die Kälte zurück. Mit einem kurzen Fluten des Halsausschnitts verschwand die Beklemmung sofort wieder. Diesen Griff wandte ich im Verlauf der Strecke an die zehn mal an und kam damit gut durch. Gegen die langsam einsetzende Taubheit in Händen und Füßen hatte ich leider kein Rezept.

An der ersten Wendeboje war wenig los, ich kam gut rum und ging auf die kurze Strecke zur zweiten Wende. Kurz vor der Boje das Hochgefühl: ich überholte einen Kollegen aus der Startgruppe vor mir, kenntlich an der rosa Badekappe. In der Folge schnappte ich noch einige von denen 🙂 . Auf der dritten, wiederum langen Bahn gab ich langsam Gas und kam nach 35:24 Minuten als 17. Staffler aus dem Wasser. Der rote Teppich war da schon gut in den Schlamm getreten und fühlte sich an wie das fliegende Exemplar seiner Gattung. Vor dem Wechselzelt wollte mich ein Helfer in dasselbe reinschicken, ich erklärte ihm, dass ich als Staffelteilnehmer aber dran vorbeidürfe. In der Staffelbox dann die Suche nach dem Teamkollegen. Wir hatten uns tags zuvor das erste mal gesehen, da waren wir allerdings völlig anders angezogen! Konrad Lorenzens Methode half weiter: „Bist du der Günter?“ – „Ja, bist du der Markus?“ Der Chip wechselte das Bein und Markus watete zu seinem Rad.

Ich ging zurück zum Campingplatz und erst mal unter die heiße Dusche. Meine Camper-Freunde schliefen leider noch, einen Schnaps hätte ich jetzt verdient gehabt! Danach baute ich in aller Ruhe das Zelt ab, verstaute die Campingausrüstung von vier Leuten im Auto, holte meinen Wechselbeutel, trank einen Kaffee und kam rechtzeitig zur Wechselzone zurück, kurz bevor Markus eintraf. Der war bester Laune. Zum einen war es eine wunderschöne Strecke, mit flachen Drückerpassagen und je Runde einem kurzen, knackigen Anstieg. Zum anderen amüsierte er sich über die Aero-bemützten Trias auf ihren Multi-Teuro-Boliden, die er mit seinem 1.200-Euer Rennrad versägte und die weder richtig bergab und schon gar nicht um die Kurve fahren konnten. Mit knapp 2:49 Stunden hatte er auch eine respektable Zeit hingelegt und war 27. bei den Staffelradlern.

Nun war Michael dran, seine vier Runden um den See zu drehen. Inzwischen war es schön warm geworden. Die ersten beiden Runden war er noch sportlich unterwegs, dann wurde er langsam schlapper. Markus und ich standen derweil locker und ausgeruht an der Strecke. Nach weiteren gut zwei Stunden liefen wir zu dritt ins Ziel.  Begeistert begrüßt und mit Medaillen behängt schwammen wir über die Wiese zum Erholungsbereich. Dort wartete eine weitere Attraktion auf uns: ein Helfer schenkte beidhändig synchron vier Weizen (bleifrei) ein, am laufenden Band.  Wir griffen uns ein paar der Becher, und während Michael sich von seinem Halbmara erholte, berichteten wir einander von unseren Heldentaten.

Das einhellige Fazit unserer Gruppe: ein toller Wettkampf und echtes Highlight zum Saisonabschluss – meine Rückkehr als Einzelstarter 2012 ist schon fest vorgesehen. Für eine Erstauflage super organisiert, für das Wetter kann der Veranstalter schließlich nichts. Und wenigstens hat es auch am Sonntag nicht geregnet!

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Über Günter

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3 Antworten zu Challenge Walchsee 05.09.2010

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