Challenge Walchsee 2011

Was kann ich über die Challenge Walchsee 2011 berichten? Erst mal ’n Foto zum Anfang, das die Gesamtstimmung recht gut wiedergibt (von Marathon-Photos.com):

Mein Radurlaub in diesem Herbst ist aus beruflichen Gründen ins Wasser gefallen. Während ich diesen Bericht schreibe, schrotten Christian und Jerzy ihre Körper und ihre Räder ohne mich. Das Gröbste sollten sie eigentlich hinter sich haben, aber wer weiß, wozu sie am letzten Tag am Gardasee noch imstande sind. Ich hatte gerade meine mühsam gebastelte Tourenplanung, die Karten und Unterkunftslisten, an Christian übergeben, als ich auf facebook die Anfrage sah: „Habt Ihr noch einen Radfahrer für eine Staffel bei der Challenge Walchsee?“ Ich hatte bei der ersten Austragung dieses Wettkampfs 2010 den Schwimmer in einer Staffel gegeben und war trotz des eiskalten Wassers begeistert zurückgekehrt, mit dem festen Entschluss, hier auch einmal einzeln zu starten. Nun also noch mal in der Staffel. Der Kontakt über facebook war schnell hergestellt und noch am Abend telefonierte ich mit Christine. Ihre Eltern, die in meinem Alter sind, waren seit langem als Einzelstarter gemeldet. Christine und ihr Freund Andreas waren ursprünglich als Schlachtenbummler vorgesehen, aber welcher Triathlet kann bei so einem Event ruhig zusehen? Als ich am Telefon mein Alter erwähnte, konnte ich deutlich ein langes Gesicht am anderen Ende der Leitung hören. Genau so deutlich hörbar war das Grinsen, als ich meine Radzeit in Wiesbaden vermeldete. Wenige Stunden später standen wir als „Team Laufschuh“ offiziell auf der Startliste. Voller Vorfreude rüstete ich mein geliebtes Rad wieder auf Wettkampfbetrieb um und machte meinem Körper unmissverständlich klar, dass die off-season noch mal ein paar Tage aufgeschoben war.

Samstag früh packte ich meine sieben Zwetschgen ins Auto und fuhr los Richtung Südosten. Trotz der frühen Stunde stand ich bald im Stau und kam mit Müh und Not gerade rechtzeitig zur WK-Besprechung, wo ich meine Teamkollegen nebst Eltern zum ersten Mal im echten Leben traf. Wir verstanden uns auf Anhieb prächtig. Nach der Besprechung schauten wir uns im Wechselzonen-/Zielbereich um und begannen, eine Wechselstrategie zu entwickeln. Viel Zeit dazu hatten wir nicht, denn ich wollte vor dem check-in noch die Radstrecke abfahren. Zu meiner Erleichterung hatten die Reifen die Stunden im Auto in der prallen Sonne heil überstanden – ich hatte nicht mit solchen Temperaturen gerechnet! Ich kippte etwas Wasser in die Radflasche und machte mich auf den Weg. Ich hatte die Strecke im Vorjahr mit einem Leihrad abgefahren und kannte sie halbwegs. Die Tour jetzt frischte nicht nur meine Erinnerung an die kritischen Stellen auf, sie machte mich auch richtig heiß aufs Rennen. Die kritischen Stellen sind in Wirklichkeit ausgesprochen harmlos. Das schlimmste Stück ist ein wenige hundert Meter langer Abschnitt in Kössen, der wohl Nazaret das Wasser reichen kann und nur mit einem Fully würdig befahrbar wäre. Bei der Unterführung kurz darauf hilft die Gewissheit, dass man – entgegen dem Augenschein – locker drunter durch passt. Den Anstieg kann man vergessen und die Abfahrt kann man ungebremst runterbrettern (auf eigene Verantwortung, Herr Kienle!). Ich kam bestens gelaunt und früher als gedacht zurück und checkte Rad nebst Helm ein. Danach machte ich mich auf die Suche nach unserer Unterkunft. Die Grammers hatten mir ein Schlafsofa in ihrer Ferienwohnung im Auerhof organisiert. Zur Begrüßung erhielt ich dort erst einmal ein Stück des köstlichen hauseigenen Zwetschgenkuchens. Danach verstaute ich das Material aus den sieben Taschen, die ich für einen Tag dabei hatte, sowie die Goodies aus dem Starterpack. Dann war auch schon Zeit für die Pastaparty. Zu fünft passten wir genau in Helmuts Auto rein. Helmut verfehlte zwar knapp die Hofkatze, fand dafür aber einen genialen Parkplatz dicht am Halleneingang. Die Pastaparty am Walchsee ist eine Klasse für sich. Die Ausgabe ist so organisiert, dass die Schlangen kurz bleiben und die Qualität der Pasta ist erstklassig. Zweierlei Nudeln mit dreierlei Soßen standen zur Auswahl, dazu lecker Salat. Ein Ehrenplatz in der Ruhmeshalle der Kochgeräte gebührt der Bratpfanne. Ihr Durchmesser beträgt schätzungsweise über drei Meter. Auf der einen Seite kippte ein Koch den Teig aus Eimern hinein, Helfer schoben und wendeten die Masse und an der entgegengesetzten Seite kam ein perfekter Kaiserschmarrn heraus. Auf einem Tisch neben der Pfanne standen mächtige Schüsseln mit Apfelmus, Zwetschgenmus, Rosinen und Puderzucker. Der Nachschlag war beinahe Pflicht. Zur Kurzweil wurden die Veranstalter, die Familien Klingler und Höller, vorgestellt, dazu die Profistarter, die allesamt fleißig vermeldeten, sie seien hier, um zu gewinnen.

Nach dem Carboloading ging es zurück zum Auerhof. Wir hatten uns ja gerade erst kennen gelernt und entsprechend viel zu erzählen. Wie im Flug vergingen einige Stunden mit den Berichten von Schwänken aus unserer jeweiligen bewegten Jugend. Die Nacht auf dem Schlafsofa war nicht sehr prickelnd. Die Erwartung des Wettkampfs, im Verbund mit Sorgen verschiedenster Natur, verhinderte erfolgreich einen geruhsamen Schlaf. Pünktlich um 4:20 piepste meine Uhr. Viel zu früh, aber Freundin Susanne ist offenbar noch paranoider als ich und hatte das Frühstück auf halb fünf bestellt. Wir tappsten in tiefster Dunkelheit, unter einem fantastischen Sternenhimmel, von unserem Gästehaus zum Bauernhof, wo der Tisch bereits reich gedeckt war. Sportlicher Höhepunkt des Frühstücks war ein Weberknecht, der sich nicht zwischen Bungee-Jumping und Base-Diving entscheiden konnte und genau in Christines Kaffeetasse landete. Wir waren nicht ganz sicher, wie die Wada dazu steht und entsorgten den verbrühten Extremsportler korrekt im Biomüll.

Immer noch halb verschlafen fuhr ich Richtung Wechselzone. Ich fand einen geschickten Parkplatz und ging hinüber zum Bikepark. Zwar hatte es nicht geregnet, aber der reichlich gefallene Tau hatte die Radhülle gerechtfertigt. Ich pumpte die Reifen auf gut 7 bar, füllte die Flaschen auf und montierte den Garmin. Dann schlurfte ich gemächlich die wenigen hundert Meter bis zum Schwimmstart und genoss die unerträgliche Leichtigkeit des Staffelradler-Seins. Während die Leute aus der ersten Startgruppe bereits mehr oder weniger Stress machten, schlürfte ich noch einen Cappuccino im „See la Vie“. Den Profi-/Frauen-/Altherrenstart zog ich mir noch live rein. Bis zum Start der Staffeln wollte ich aber nicht warten, wünschte Andreas einen guten Schwumm und ging zurück zum Auto. Die letzten kosmetischen Feinheiten erledigt, ging es weiter in die Wechselzone. Ich kam gerade recht, um den Wechsel der ersten Pros mit zu bekommen. Auch Susanne sah ich vorbei laufen. Christine kam vom Schwimmstart und ich konnte ihr gerade noch meine Autoschlüssel zuwerfen, bevor ich mich an der vereinbarten Wechselstelle postierte. Ich musste nicht lange warten, bevor Andreas ankam. Ich erkannte ihn sofort an seinem ärmellosen Neo. Wie vereinbart, sprintete er bis zu mir, stellte das Bein mit dem Chip vor mich hin und ließ mich machen. Gekotzt hat er erst, als ich schon auf dem Weg zum Rad war. Dass ihm unterwegs fast die Arme abgefroren wären, habe ich erst mittags erfahren. Der Wechsel verlief reibungslos. Ich fuhr die wenigen Meter hoch bis zur Hauptstraße und zog auf dieser erst mal in aller Ruhe die Schuhe an. Dann legte ich mich gemütlich auf meine Extensions und legte los.

Der Radpart war einfach nur geil. Als Staffler startete ich in der letzten Gruppe und war 147 Minuten lang ununterbrochen nur am Überholen. Ich hatte einfach einen fantastischen run. Auf der Holperstrecke eingangs Kössen verlor ich zwar eine Flasche, aber kurz dahinter gab es neue, also kein Problem. Das Tal hinein nach St. Johann fuhr ich in den obersten Gängen. Kurz vor der Steigung warf ich noch ein Gel ein und kurbelte fleißig hoch. Die Abfahrt danach war einfach nur geil (wiederhole ich mich etwa?). Einzig der Postbus brachte mich aus dem Konzept. Auf der Radstrecke gibt es stellenweise Autoverkehr in Wettkampfrichtung, in der Gegenrichtung ist sie gesperrt. Zum größten Teil funktioniert das recht gut, die Autos fahren auf der linken Fahrbahnhälfte und lassen die komplette rechte Seite den Radlern. Nur ab und zu gibt es unsichere Kantonisten, die sich dann doch nach rechts zwischen die Trias drängeln, dann wirds kritisch. Die haarigste Situation erlebte ich in einem Dorf. Der Postbus (das einzige selektive Element auf der ganzen Strecke) fuhr rechts an die Haltestelle, das Auto dahinter wollte links abbiegen und das nächste Auto wartete darauf, sich zwischen beiden durch zu zwängen. Genau in dem Augenblick raste dem armen Automobilisten ein roter Radler vor der Nase vorbei und stürzte sich mit Gebrüll in die weitere Abfahrt. Dank meiner Erkundung vom Vortag wusste ich, dass die Kurven im Wald durchwegs vollgastauglich sind. Nach der Waldabfahrt kam gleich das nächste Highlight: nach einem kurzen Anstieglein ging es wieder bergab, diesmal auf schmalen, kurvigen Wirtschaftswegen. Wie lautet der Fachausdruck für so etwas? „Einfach nur geil“!

Auch hier zahlte sich meine Ortskenntnis aus, ich konnte an einigen Leuten vorbei zischen, die nicht sicher waren, was hinter der nächsten Kurve käme. Schon war die erste Runde zu Ende, ich fuhr erneut Richtung Kössen. Plötzlich und unerwartet bekam ich die Quittung für meinen Übermut. Ein Krampf im linken Oberschenkel spielte „memento mori“. Die Erfahrung in Albstadt hatte mich gelehrt, dass man so etwas auch wieder „wegfahren“ kann. Ich nutzte die Holperstrecke zur Erholung und fuhr gnadenlos weiter. Ungefähr hier begann auch mein Duell mit Christoph aus der Staffel 912. Ich war zwar überwiegend am Austeilen, aber ab und zu musste ich auch einstecken. Christoph und ich überholten uns ca. alle 10 Minuten gegenseitig. Er war stärker am Berg, ich in der Ebene. Ab dem dritten Mal tauschten wir bei jeder Begegnung ein paar launige Bemerkungen. Ungefähr bei Kilometer 65 stellte ich dann Susanne. Sie war gerade grenzwertig knapp hinter einer Konkurrentin und ich ermahnte sie, nicht zu lutschen. Ihre Antwort war unerwartet humorlos, was ich erst später verstand. Sie hatte bereits anfangs der Radstrecke eine Zeitstrafe aufgebrummt bekommen – völlig zu Unrecht, wie sie glaubhaft versicherte. Ich radelte weiter, wieder die Steigung hoch. Das Schöne (um nicht zu sagen: Geile) an dieser Radstrecke ist der Umstand, dass auf einen kurzen, scharfen Anstieg eine ewig lange, flache Abfahrt folgt. Rein vom Gefühl her fährt man auf dieser Runde immer nur bergab. Auch das kann man übertreiben, und kurz vor der Wende Richtung Ziel plagten mich wieder Krämpfe, immer noch im linken Oberschenkel. Ich musste einige Leute vorbei lassen, die ich gerade erst mühsam versägt hatte. Meine größte Sorge in diesem Moment war aber, dass Christine mich vielleicht noch gar nicht so früh erwartete. Ich war immerhin 15 Minuten früher dran, als optimistisch vorgesehen! Auf den letzen fünf Kilometern ging es zunächst wieder leicht bergan, objektiv zwar harmlos, aber inzwischen nicht mehr so lustig für mich. Zum Schluss noch mal abwärts/flach durch Walchsee. Kurz nach dem Strandbad, wo Andreas vor drei Stunden gestartet war, schlüpfte ich aus den Schuhen. Rum um die Kurve, raus aus dem Sattel, das rechte Bein vor das linke geschlängelt und das perfekte Tempo für den Übergang zum Laufen gefunden. An der Abstiegslinie die finale Genugtuung, einen Kollegen zu überholen, der mich im Moment meiner Schwäche erwischt hatte 🙂

Das Fahrrad an der Hand, flog ich den Korridor entlang, hängte das Rad an die Stange und lief weiter. Plötzlich: Hoppla, lauter Geisterläufer! Kehrt marsch! Und in der richtigen Richtung hinüber zu Christine, die zwar überrascht, aber gefasst meinen Chip übernahm und loswieselte. Beim zweiten Wechsel hatten wir übrigens die beste Zeit von allen! Ein weiterer Vorteil des Staffelradlers: Man hat die Dusche praktisch für sich allein 🙂 Geduscht und umgezogen fand ich mich wieder im Zielbereich ein. Ronnie Schildknecht war bereits als schnellster Mann eingelaufen, die schnellste Frau, Yvonne van Vlerken, habe ich noch live erlebt. Christine zog derweil auf der heißen, staubigen Piste unbeirrt ihre Runden. Auch ihre Eltern waren flott unterwegs. In der Zwischenzeit futterte ich mich schon mal durch das reichhaltige Finisherbuffett. Dadurch war ich beim gemeinsamen Zieleinlauf auch wieder vorzeigbar, und das nicht zu knapp!

Hinterher gabs noch ein Käffchen auf dem Auerhof und eine längliche Heimfahrt. Das Fazit: Die Challenge Walchsee ist für mich einer der schönsten Wettkämpfe überhaupt!

Fotos: Marathon-Photos.com.

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Eine Antwort zu Challenge Walchsee 2011

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