Auffi muas i – Bericht vom Socialman 3

Als ich meine Vorbereitungen zum Socialman begonnen hatte, konnte noch niemand die Hitzewelle dieses Wochenendes vorhersehen. Ich hatte detaillierte Tabellen über den Temperaturverlauf in verschiedenen Höhen aufgestellt und z.B. herausgefunden, dass bei 10° in Rauris die Temperatur im Ziel ceteris paribus bei -2,5° läge. Entsprechend hatte ich mir unterschiedliche Outfits gepackt für Temperaturbereiche von 15 bis 25 Grad am Start. Jetzt hatten wir 30° und die Entscheidung war eindeutig. Zur kurzen Hose legte ich noch eine fingerdicke Schicht Sonnenschutzfaktor 30 auf. Der Rucksack war weitgehend vorbereitet, ich musste nur noch Wasser einfüllen. Zwei Liter nahm ich mit auf meine 15 Kilometer. Auch Matthias bereitete sich vor und zusammen mit Sarah warteten wir auf unseren Radler. In großen Abständen rollten andere Teilnehmer in die Wechselzone und gingen entweder selbst auf die Laufstrecke oder schickten ihre Staffelkameraden dorthin. Kurz nach 14 Uhr kam Mark an. Ich nahm ihm sein Fahrrad ab, er gab Matthias den GPS-Tracker und der rollte los. Die ersten 100 Meter führten über eine Wiese bergauf und ich unterstützte ihn schiebend – nicht, weil er das gebraucht hätte, sondern um eine Show für den Kameramann zu liefern. Mark ließ sich noch aufpäppeln und versorgen, während Sarah mich zur nächsten Wechselzone fuhr. Für die, die nicht aufgepasst haben: Mit Ausnahme der Schwimmstrecke weist der Socialman ein kriminelles Höhenprofil auf (die Schwimmstrecke ist dafür extra lang: quasi die Höhenmeter flachgebügelt). Matthias übernahm die ersten 10 noch relativ flachen Kilometer der Laufstrecke im Rollstuhl. Bald danach wird die Strecke ebenso steil wie unwegsam und diesen Part übernahm wieder ich. Am Parkplatz Fleckweide tauchte Matthias schließlich, eine epische Staubfahne nach sich ziehend, auf.

Matroll

(Photo: Socialman)

Er übergab mir den Tracker, wir klatschten ab und ich trabte los. Zuerst ging es noch einigermaßen flach dahin, dann kamen die ersten Anstiege. Ich hatte mir vorgenommen, so lang wie irgend möglich zu laufen und so wenig wie möglich zu gehen. Relativ bald überholte ich einen Kollegen, der das Laufen schon aufgehört hatte, der war aber schon länger unterwegs als ich. Die Lauferei wurde schnell mühsamer, als ich erwartet hatte. Im Schnitt waren die ersten 2/3 meiner Strecke zwar nur mäßig ansteigend, hatten aber bereits deutliche Bergaufpassagen drin. Schon vor der Hälfte legte ich Gehpausen ein. Um 16:09 kam ich beim Checkpoint Tauernhaus vorbei. Nach dem ursprünglichen Reglement hätte mich der Veranstalter hier rausgenommen und mit dem Besenwagen heimgeschickt, aber angesichts der Wetterbedingungen hatte man das Limit hier auf 17 Uhr verlängert. Am Tauernhaus endete auch definitiv der fahrbare Teil der Strecke. Ich fragte vosichtshalber, ob ich jetzt allen Ernstes diesen Ziegenpfad nehmen sollte, bekam das bestätigt und tat es. Immerhin gab es hier schon häufig Schatten, der Weg führte jetzt durch ein Waldstück. Noch schaffte ich es, in flachen Passagen wieder in einen Zuckeltrab zu verfallen. Nach knapp 10 Kilometern kam ich zur letzen Alm auf der Strecke. Ich setzte mich auf die Bank vor der Hütte und genehmigte mir einen Riegel. An dieser Stelle war ich bereits so platt, dass ich nicht mal mehr die freundliche Sennerin anbaggern konnte. Wo ich jetzt darüber nachdenke, könnte ich nicht mal mehr sagen, wie blond sie war – egal wie blond, ich war offensichtlich blonder! Offenbar so blond, dass ich gar nicht bemerkte, wie dicht ich Paul Börner auf den Fersen war, der da noch auf Platz 4 der Einzelstarter lag. Kurz nach der Alm sah ich ihn und seinen Supporter knapp 100 Meter vor mir. Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, mich zentimeterweise an die beiden heranzuarbeiten, ein äußerst frustrierendes Unterfangen. Wenn ich dachte, ich käme näher, erreichte Paul ein Flachstück und wurde schneller, während ich mich noch einen Hang hochschleppte. Oder ich überpacete um ein paar Millisekunden/Meter und musste stehen bleiben, um Luft zu holen. Auch hatte ich mit beunruhigenden biomechanischen Phänomenen zu kämpfen. Mehrmals hatte ich Mühe, nach einem Schritt mit Abrollen oder Drehung den Fuß wieder in eine normale Position zu bringen. Endlich war ich auf zwei Meter herangekommen und grüßte freundlich. Nach einiger Zeit kam auch Pauls zweiter Supporter von oben entgegen und wir wanderten zu viert Richtung Hochtor. Diese Truppe war für mich ein Segen. Allein der Umstand, nicht mehr allein zu gehen, baute mich auf. Die zwei Freunde waren putzmunter und quatschten die ganze Zeit auf uns ein. Dazu hatten sie einen anscheinend unerschöpflichen Vorrat an kaltem (!) Wasser, Cola und Salzstangerln, den sie Paul und auch mir unermüdlich anboten. Aus Dankbarkeit gab ich Georg Kreislers Lied vom „Staatsbeamten“ zum Besten, schließlich waren wir in Österreich! Über die erste Strophe kam ich leider nicht hinaus, immerhin waren wir inzwischen auf rund 2000 Meter Seehöhe und das bin ich nicht mehr gewöhnt. Wir begegneten vereinzelten Wanderern, die uns begeistert anspornten und uns gnadenlos die Hucke volllogen bezüglich der verbleibenden Strecke. Irgendwann sahen wir dann sowohl die Leute am Großglocknertunnel als auch die Fahnen am Hochtor. Auf dem Weg dorthin querten wir noch einige Schneefelder, die zum Glück noch erstaunlich fest waren. Über ein paar Stufen stiegen wir hoch zur Straße, wo wir schon begeistert begrüßt wurden. Das Ziel war aber noch etliche Höhenmeter entfernt und so marschierten wir weiter.

Parkplatz

(Photo: Socialman)

An dieser Stelle wurden wir doch tatsächlich noch überholt! Keiner von uns hatte diese Gesellen bemerkt, aber Andi Wallner samt Begleitung zog an uns vorbei. Egal, wir stapften eisern die letzten Meter aufs Joch, wo inzwischen ein kühler Wind wehte. Wenige Minuten später beglückwünschte mich Veranstalter Klaus Vondra. Pauls Freund machte dann noch ein triumphales Selfie von mir:

Ziel

Mit großer Mühe hatschte ich die paar Meter wieder runter zu meinen Staffelkameraden. Gemeinsam hatten wir den Socialman geschafft. Mit einer Gesamtzeit von 12:58 waren wir die 7. von 25 Staffeln. Wenn ich mal Enkel habe, erzähle ich ihnen das.

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