Alles relativ in der Naab

Die Naab hat mich fertig gemacht. So einfach. Zwischendurch gab es schöne Momente, Minuten, sogar Viertelstunden, aber dazwischen war die Naab nicht mein Freund.

Meine Vorbereitung war, wie immer, akribisch. Ich hatte den Kanuführer studiert, Karten mit Streckenlängen versehen und laminiert, einen Reserveakku für die Kamera besorgt und auch wochenlang den Pegel beobachtet, der trotz Trockenheit überraschend konstant war:

Heitz kurz

Hätte ich die Langfristgrafik angeschaut, wäre ich schlauer gewesen:

Heitz lang

Aber das schlauer sein habe ich mir für hinterher aufgehoben.

Montag habe ich noch den Juli-Abschluss fertiggeschustert und dem Aufsichtsrat erläutert, dann bin ich nach Schwandorf gedüst, wo ich für die Woche im Hotel Baier mein Quartier mit Blick auf die Naab aufgeschlagen habe.

N0010

Dienstag früh fuhr ich mit dem Auto zu meinem Etappenziel in Untersteinbach. Ich lud das Fahrrad aus und packte die Schwimmsachen in einen Beutel. Meist ist es ja beruhigend, wenn man merkt, was man trotz akribischer Vorbereitung vergessen hat. Außer, wenn das Vergessene das Fahrradschloss ist. Von der Besichtigung zu Pfingsten wusste ich, dass mein Startpunkt an einer abgelegenen Wiese sein sollte, wo die Wahrscheinlichkeit eines Fahrraddiebstahls unter 100% lag. Ich radelte also unbeschlossen los. In einem Supermarkt unterwegs kaufte ich ein Vorhängeschloss. Der Weg nach Oberwildenau zog sich, der erste Tag sollte die längste Strecke werden. Das war zugegeben nicht der ideale Einstieg in die Tour. Aber die einzelnen Etappen sind durch die Wehre vorgegeben, nur dort gibt es Ein- und Ausstiege für Kanufahrer. Auf freier Strecke kann man zwar gelegentlich aus dem Wasser raus, aber oft ist man dort weitab der Straße. Und mit dem Ziel, Freitag nach Burglengenfeld zu kommen, mussten es eben am Dienstag die 17 km sein. Auf der Wiese unter der Brücke in Oberwildenau verstaute ich mein Fahrrad so unauffällig wie möglich und hängte das Vorhängeschloss in die Speichen. Das hätte einen entschlossenen Dieb nicht vom -stahl abgehalten, ein dummer Dieb hätte das Rad zerstört; ich hatte also die schlechtestmögliche Taktik gewählt… Nicht auszudenken, was meine Tochter mir erzählt hätte, wenn Papa „Rad stehen lassen heißt verschenken“ Günter sein Stahlross abhanden gekommen wäre!

Die nächste Herausforderung war der Sonnenschutz. Ich hatte zwar ein Schwimmhemd mit, das scheuert aber ein wenig, deshalb wollte ich es in Reserve halten und erst mal auf die Sonnencreme setzen. Anthelios XL 50+ von La Roche-Posay war die meinem Alter angemessene Lösung, die mir der freundliche, Rad fahrende Zentral-Apotheker empfohlen hatte. Dank Sprühkopf konnte ich die auch ohne fremde Hilfe auf dem Rücken verteilen. Auf den Armen fand ich auch nach dem Schwimmen noch reichlich Creme, die ist also wirklich wasserfest. Die einzigen Probleme hatte ich im Gesicht: Stirn und Nase nahmen kräftig Farbe an.

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Endlich war alles vorbereitet und verstaut, ich stieg vorsichtig in die Naab. Zu meiner Überraschung fand ich genug Wasser, um gleich loszuschwimmen. Ungefähr 50 Meter weit. Dann begann die Wattwanderung. Vom ersten Kilometer waren rund 700 Meter zu Fuß zurückzulegen. In der Auswertung der Daten sieht man das wunderbar an der Zugfrequenz pro Minute, die im einstelligen Berich liegt. Ohne Schwimmschuhe hätte ich hier aufhören können, selbst mit Schuhen war es mühsam, über die Kiesel zu stolpern. Wegen der üppigen Vegetation sah man gar nicht, wo man hintrat.

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Dazu kamen Sand und Kies in die Schuhe, die ich ständig ausleeren durfte, wollte ich mir keine Blasen laufen. Nach 3,5 km gab es in Luhe die erste Pause. Freundliche Angler nahmen extra ihre Schnürln beiseite, als ich zur nächsten Etappe aufbrach, die mit gut 6 km schon deutlich länger war. Gegen Ende der Strecke kam ich sogar für längere Zeit zum Schwimmen:

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Außer einem Kanu, das schneller weg war, als ich fotografieren konnte, waren nur noch Libellen unterwegs.

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Nach einer ausgedehnten Pause bei Wernberg startete ich zum mit 7 km längsten Abschnitt des Tages. Der war wieder mit nervig vielen Flachstellen gespickt. Die dauernden Unterbrechungen schlugen allmählich aufs Gemüt. Um viertel nach fünf war ich endlich an meiner Ausstiegsstelle, musste nur noch um einen Landzipfel herum. Just auf diesem Zipfel stand ein Angler, der sich mordsmäßig aufregte: er habe gerade hier angefüttert, ich solle mich unterstehen, da jetzt durchzuschwimmen. Ich brachte ihn erst mal mit einem freundlichen Gruß aus der Fassung und erklärte, dass ich hier schon den ganzen Tag schwimme und wegen ihm nicht den Umweg über Straubing nehmen werde, um zu meinem Auto zu kommen. Nur die Sorge wegen der aktuellen fremdenfeindlichen Ausschreitungen hielt mich davon ab, ihn als Saupreißn zu beschimpfen (obwohl er – zumindest in diesem Moment – einer war). Nach kurzer Debatte einigten wir uns darauf, dass ich hinter der Seerose rum ans Ufer könnte.

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Dort durfte ich mich bei einem Kleingärtner unter die Gartendusche stellen, bevor ich mich anzog.

Ziemlich kaputt von der Strecke und der mentalen Belastung holte ich erst mal das Fahrrad, das wohlbehalten an seinem Platz lag. Am nächsten Supermarkt räumte ich die Regale mit Sportlernahrung leer. Eine Klinikpackung Muffins, eine Tüte Schokoriegel und an der Kasse hatte jemand eine 250g-Tafel Schokolade liegenlassen. Im Kruschregal im Mittelgang lag sogar ein geöstes Stahlkabel, das mit meinem Vorhängeschloss eine passable Fahrradsicherung ergeben hätte – wenn es denn ausgezeichnet gewesen wäre. Ich erklärte der Kassiererin, dass ich gar nicht auf einem ausgezeichneten Kabel bestünde, gut genug hätte mir schon getaugt, aber die offenbar ISO-zertifizierte Dame weigerte sich standhaft, einen Artikel ohne Strichkot abzugeben. Am Ortseingang von Schwandorf fand ich dann in einem Baumarkt ein genügend gutes, ausgezeichnetes Fahrradschloss. Die Sicherheitsfrage war damit gelöst. Meinen Streckenplan, der für den dritten Tag nochmal 17 km vorgesehen hatte, stellte ich aber ernsthaft in Frage.  Die körperliche und psychische Belastung, dazu die Hitze und die Sonne, hatten ihren Tribut gefordert. Diesen Rhythmus traute ich mir für den Rest der Woche nicht mehr zu. Ich setzte mich vor den Rechner und schob Etappen hin und her. Letztendlich beschloss ich, mir die Strecke von Untersteinbach bis Schwarzenfeld zu schenken. Somit hätte ich Tagesetappen zwischen 9 und 12 km und die Hoffnung auf ein bisschen mehr Wasser unterm Kiel. Bei einer schönen Portion Pasta im Rossini ließ ich den ersten Tag ausklingen.

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Über Günter

Manager und Triathlet
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2 Antworten zu Alles relativ in der Naab

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