Die Hälfte meiner Beiträge aus 2020 bestand bislang aus Genöle darüber, dass mein Plan, im Jahr meines Aufstiegs in die AK M60 selbige aufzumischen, von den Zeitläuften zu Staub zerrieben wurde. Als Babyboomer habe ich ja schon genug damit zu tun, mich der Heerscharen Gleichaltriger zu erwehren, die partout ihre Laufschuhe nicht an den Nagel hängen wollen; im Gegenteil, die alten Säcke werden von Jahr zu Jahr zäher! Ich hingegen werde den Teufel tun und auf gutes Essen und Trinken verzichten (Cheers, Leute!). Wie gesagt, 2020 brach an und alle Wettkämpfe wurden abgesagt, gleichzeitig fluteten die Hobbyletten Lauf- und Radstrecken und steigerten sich in eine nie gekannte Trainingsform.
Dann ergriff Achim Seiter mit seiner Truppe unbesiegbarer Gallier von 3Komma8 die Inititative, entwickelte ein Hygienekonzept, überzeugte das Freibad, den Sportverband und das Landratsamt. 240 Startplätze, keine Zuschauer, Jagdstart, verkürzte Strecken. Ich hatte kaum davon gehört, da war ich auch schon angemeldet. Als Genussmensch (s.o.) wählte ich die letzte Startgruppe (und kam dadurch unter enormen Zeitdruck, weil ich den Termin in Stuttgart um 14:30 in meiner Euphorie verdrängt hatte).
In altgewohnter Paranoia legte ich 24 Stunden lang meinen Krempel zurecht. Heute früh holte ich ein mittelgroßes Stadtmobil, packte das Rennrad und besagten Krempel hinein und düste los. Natürlich viel zu früh… In Steinheim fiel mir dann auf, dass ich keine Schwimmbrille dabei hatte. 250 Meter sollte ich aber auch im Blindflug bewältigen können. Beim Check-in 45 Minuten vor dem Start brachte ich noch den Kampfrichter in Verlegenheit, der nicht sicher war, ob meine Fahrradklingel dem Regelwerk entsprach. Ich hatte komplett verpennt, die abzuschrauben, das holte ich fix nach und war damit wieder auf der sicheren Seite. Ich stellte das Rad an seinen Platz und legte den Krempel daneben. Ein netter Kollege hat das fest gehalten.

Nunmehr ohne Brille tapste ich in’s Schwimmbad und schaute mir an, wie das mit den Bahnen so funktionierte. Im Becken waren drei Doppelbahnen abgeleint. Man sollte auf einer Doppelbahn im Rechtsverkehr rauf und runter schwimmen. So weit, so gut, das praktizierten wir schon das ganze Jahr so. Dann aber sollten wir unter der Leine durch nach rechts auf die nächste Doppelbahn wechseln. Ob ich das mit Rollwende schaffen würde? Ich war seit Monaten auf die andere Drehrichtung geeicht! Die Startzeit rückte näher und mir wurde langsam mulmig. Seit Ende 2019 war ich eher lange und gemütlich unterwegs gewesen, jetzt sollte ich hier sprintmäßig loslegen, das entsprach so gar nicht meiner Einstellung (s.o.). Schließlich war ich dran. Ich hechtete in’s Becken und vollführte das, was ich für Delfinkicks halte. An der ersten Wende knallte ich fast an die Wand. Ich hatte im gewohnten Abstand zur Rolle angesetzt, war aber deutlich flotter unterwegs als beim Rentner-Frühschwimmen. Die zweite Wende unter der Leine durch in die „falsche“ Richtung habe ich irgendwie hingeschummelt, dann kam wieder eine „normale“ Wende (wieder ziemlich nahe an der Wand). An der nächsten Wende war ich gleichauf mit meinem Vorschwimmer und wir wurstelten uns nebeneinander unter der Leine durch. Falls jemand das nicht bemerkt hat, weise ich nochmal ausdrücklich darauf hin: ich hatte dem Kollegen auf 200 Meter eine Minute abgenommen 🙂 . Der Wechsel verlief unspektakulär und die Radstrecke war so hektisch, wie ich das befürchtet hatte. Auf 18 Kilometer darf man keine Sekunde den Druck wegnehmen. Dafür war die Strecke überwiegend in sehr gutem Zustand, die Helfer aufmerksam und die engen Ecken gut gekennzeichnet. Beim Abstieg umzirkelte ich noch zwei Leute, die den Wechsel nicht so perfekt beherrschten wie ich, und ging auf die drei Runden Laufstrecke. Drei Mal ging es einen fiesen Hügel hoch, der mir Alles abverlangte. Auf der Laufstrecke hatte ich auch mein schlechtestes Teilergebnis. Den Hügel hinunter gab ich mächtig Gas und versuchte danach, die Schrittfrequenz auch in der Ebene beizubehalten. Nach gut 5 Kilometern hatte ich keine Energie mehr für einen Endspurt, aber immerhin noch die Luft für einen Zielschrei. Corona-bedingt war der Zielbereich recht aufgeräumt, man sollte sich dort gar nicht aufhalten. Die Zielverpflegung gab es im Beutel und ich musste sowieso expressmäßig nach Stuttgart. Zügig sammelte ich meinen Krempel wieder zusammen, karrte alles nach Hause, drehte eine Ehrenrunde durch die Dusche und war tatsächlich pünktlich in der Landeshauptstadt.
Nach dem, was Race Result so sagt, habe ich mich ganz wacker geschlagen. Die Hauptsache aber: es war ein richtig knackiger Wettkampf, mit allem Drum und Dran. Vor dem Start bedauerte ich noch den Stadionsprecher, der mit größtem Einsatz die viereinhalb genehmigten „Family and Friends“-Zuschauer bespaßte. Auf der Strecke habe ich den Zuschauermangel dann kaum wahrgenommen. Zahlreiche Helfer*innen, die den Weg wiesen, Wasser reichten oder für Notfälle bereit standen, sorgten für Stimmungsnesterchen. Meinen herzlichen Dank an alle, die sich den Sonntag um die Ohren geschlagen haben, um für ein kleines Häufchen Athleten einen perfekt organisierten Wettkampf zu ermöglichen! Ich liebe diesen Sport, ich liebe diese Menschen! In Steinheim habe ich vor ungefähr 15 Jahren meinen ersten Triathlon bestritten. Dass ich heute dort den einzigen des Jahres erleben durfte, war für mich ein riesiges Geschenk. Einen großen Dank an Achim und seine Truppe!
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